Anlaufscheiben am Kolben

Schwalbe und SR4-X-Reihe (Spatz, Star, Sperber, Habicht)
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M53
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Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von M53 »

Ich habe für einen guten Kumpel derzeit einen M53 von 1965 auf der Bank liegen.

Neben einem Wechsel der Wellendichtringe steht der Umbau des Kickstarters an. (also Tausch des Feinen Segmentes gegen das Grobe).

Nun habe ich den Motor in seine Bestandteile zerlegt und musste feststellen, das Anlaufscheiben am Kolben verbaut wurden! Ich hatte im Gedächtnis, das die beim unten geführten Pleuel nicht benötigt werden. Die Kurbelwelle ist eine alte mit schlanken Konus.

Meine Frage ist nun:

Kann man die Scheiben verbauen oder muss man sie weglassen?

Mein Standpunkt: Bei vernünftig mittig verbauter Kurbelwelle kann eigentlich nichts passiern. Andererseits entsteht bei Verbau der Scheiben ein höheres Gewicht, wozu der Massenausgleich der Kurbelwelle nicht ausreichen könnte--> ergo vibriert es stärker..

Somit lande ich bei 50:50 und frage Euch :)

Ich freue mich auf Antworten!

Martin
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Siebenson
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Re: Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von Siebenson »

Man kann nur rotatorische Massen an der Kurbelwelle ausgleichen und die sogar zu 0! Translatorische Massen können nur durch translatorische Massen ausgeglichen werden. Vergesst alles , was Ihr im Netz über den Ausgleich von Kolbengewichten an der Kurbelwelle gehört habt. Ein Teil des Pleuels geht in die rotatorische Masse ein und ein Teil in die Translatorische. Deine Scheiben spielen kaum eine Rolle im Bewegungsablauf. Bei sehr hohen Drehzahlen könnten sie die Kurbelwelle entlasten, da das Pleul nicht seitlich an den Wangen, sondern am Kolben anläuft. Sie müssen nicht drin sein, es ist aber sicher auch nicht von Nachteil. Da ich aber ein Verfechter von "äi viel wie nötig, so wenig wie möglich" bin, würde ich sie weg lassen. Schließlich haben die Motoren alle Tests ohne die Scheiben bestanden. Sie waren erst bei den späteren Wellen erforderlich.

S-U
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M53
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Re: Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von M53 »

Gut. Ich habe es etwas falsch ausgedrückt. Der Rotaorische Massenausgleich geht in der Rechnung nur bis zum Schwerpunkt des Pleuels. Alles darüber geht in den Translatorischen Anteil ein.

Das nur der Rotatorische Anteil über die Kurbelwelle ausgeglichen werden kann ist klar. Die Scheiben erhöhen lediglich den Translatorischen Anteil. Ich werde mal ausrechnen welche Beschleunigungen und Kräfte diese Teile verursachen.

In Motorentechnik habe ich vom 1 bis zum 8 Zylinder alle berechnen müssen und auch den Massenausgleich dazu.
Siebenson hat geschrieben:Translatorische Massen können nur durch translatorische Massen ausgeglichen werden.
Dieses Postulat ist falsch.

Der Translatorische Massenausgleich wird in fast allen Motoren, welche sich nicht selbst ausgleichen (wie Boxer oder Sechszylinderreihen) rotatorisch bewerkstelligt.

Im Ausgleichswellengetriebe drehen sich 2 Wellen mit bestimmten Gewicht gegeneinander. Die Kräfte die dabei entstehen wirken aus dem Kräfteparallelogramm senkrecht und stets entgegen der translotorischen Kraftrichtung. Sie werden ozilierend größen und kleiner.

Anbei ein Bild des Massenausgleiches erster Ordnung. Omega ist die Drehgeschwindigkeit der KW. Wird ein zweites Getriebe dazugeschalten, haben die Wellen eine um Faktor 10 reduzierte Massen und eine doppelte Winkelgeschwindigkeit. (Ausgleich 2. Ordnung)

So ein Ausgleichswellengetriebe wiegt knapp 700g und kann problemlos in der Ölwanne untergebracht werden.

Zum Thema Anlaufscheibe. Entschlossen habe ich mich noch nicht :-)
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Siebenson
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Re: Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von Siebenson »

O.k. die Ausgleichswellen sind quasi ein Trick, eine translatorische Masse zu erzeugen. Ich würde mein Postulat weiterhin für richtig halten, ich bekräftige es auch nocheinmal im direkten Bezug zwischen Kolben, Pleul und Kurbelwelle! Der "Seiltrick", den Du zitierst muss mit enormen Lagerkräften kämpfen. Die Kosten für ein solches System sind hoch und der Nutzen Gering, da die Kolben sich auch noch dummerweise beim Arbeitstakt an der Zylinderwand abstützen.
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Siebenson
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Re: Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von Siebenson »

Mein Standpunkt: Bei vernünftig mittig verbauter Kurbelwelle kann eigentlich nichts passiern. Andererseits entsteht bei Verbau der Scheiben ein höheres Gewicht, wozu der Massenausgleich der Kurbelwelle nicht ausreichen könnte--> ergo vibriert es stärker...
Ich wollte nett und höflich schreiben, dass das Unsinn ist. ;)
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M53
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Re: Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von M53 »

Siebenson hat geschrieben:Der "Seiltrick", den Du zitierst muss mit enormen Lagerkräften kämpfen. Die Kosten für ein solches System sind hoch und der Nutzen Gering, da die Kolben sich auch noch dummerweise beim Arbeitstakt an der Zylinderwand abstützen.
Da bringst du aber einiges Durcheinander. Die Lagerkräfte sind nicht enorm hoch und auch nicht Stoßweise auftretend. Einfache billige Gleitlagerungen tun es. Die Kosten für ein solches System sind ebenfalls erstaunlich gering. Von meinem Arbeitgeber aus, bin ich zur Verschwiegenheit darüber verpflichtet einen genauen Preis zu nennen... Über den Nutzen lässt sich streiten, hier ist Käuferwillen entscheident.
Ich bin auch eher ein Fan der alten Einfachkeit. Aber bei meiner Arbeit geht der Blick nach vorne. Ist halt nichts für Ewiggestrige. Mein Steckenpferd ist hierbei die Thermodynamik und Strömungsmechanik. Aber den Rest bekomme ich natürlich auch mit. ;-)
Siebenson hat geschrieben:da die Kolben sich auch noch dummerweise beim Arbeitstakt an der Zylinderwand abstützen.
Interessante These: Das tut der Kolben immer wenn er nicht im OT bzw UT steht. Gerade im Arbeitstakt ist das der Fall, da es keine ideale Verbrennung gibt und der Druck am Kolbenboden unterschiedlich ist. Zwar versucht man im azentrischer Anordung der Bolzenbohrung im Kolben, dem entgegen zu wirken aber ein Kippmoment ist immer da. Das Ausgleichsgetriebe spielt hier auch keine Rolle und hat Null Einfluss drauf. Es erzeugt einfach nur ca. 300mm unter dem Schwingungserzeuger (Bolzen-Pleuel-Kolben) eine Gegenschwingung.

Zu meiner ersten Aussage. Dazu erwähnte ich bereits, das die Aussage sprachlich unglücklich gewählt ist. Ich meinte eigentlich nur eine Steigerung der Vibrationen durch die Erhöhung der Massen.
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Siebenson
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Re: Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von Siebenson »

Dann lässt man sich das System eben gut bezahlen ;)

Vielleicht hast Du auch einfach nur vergessen, dass das billige System im Motor untergebracht werden muss, dass es angetrieben und geschmiert werden muss...
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M53
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Re: Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von M53 »

Da hast du absolut Recht S-U. Man lässt es sich gut bezahlen. Da ich ja noch nicht solange im richtigem Berufsleben stehe, bin ich stets erstaunt wenn ich höre für wieviel Geld (inkl. aller umgelegter Kosten) eigentlich produziert wird, und für wieviel es dann als Ersatzteil verkauft, oder besser gesagt dem Kunden ausgezwungen wird.
Ein führender Automobilist äußerte zum Beispiel das VW am Golf nur 600€ verdient.... , das möchte man garnicht glauben...
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Siebenson
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Re: Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von Siebenson »

Das sind im Monat 30.000.000 Euro Gewinn. Nur für den Golf....
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M53
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Re: Anlaufscheiben am Kolben

Beitrag von M53 »

Um wieder zur Sache zu kommen.

Nach genauerer Inspektion der Teile musste ich feststellen, dass der Kolben links und rechts leichte Fraßspuren hat. Mein Verdacht lag auf der Pleuelbuchse oben. Und diese hat auch tatsächlich Spiel, da sich der Bolzen spürbar kippen lässt.

Nun würde ich als Bastler gerne die 1:10er Kurbelwelle auf das Nadellager umbauen. Sprich: einfacher Tausch des Pleuels.

Das "einfach" sicher Probleme mit sich bringt, würde ich gerne abklären ob das schonmal jemand in Angriff genommen hat,oder ob von vorne herein aus technischen Gründen ein Umbau unmöglich ist. (Irgendwelche Maße, stimmen nicht...etc.)

Martin
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